Woher kommt Zoom Fatigue? – einige Faktoren technischer Natur
Zoom Fatigue hat verschiedene Ursachen, die in Online-Meetings zumeist gebündelt auftreten und verschiedene Menschen unterschiedlich stark belasten. An erster Stelle stehen da die offensichtlichsten Stressoren, die wohl jedem lästig sind – ein(e) andere(r) Teilnehmer*in (oder gar man selbst) kann sich aus unbekannten Gründen nicht in das Meeting einloggen, irgendjemand fliegt wiederholt raus, es stockt, laggt, hallt, echot. Aber auch bei „guter“ Verbindung kann die Tonqualität das Zuhören mitunter unangenehm machen. Gehen immer wieder einzelne Silben, oder gar ganze Wörter und Satzteile verloren, erfordert das besonders aktives Zuhören, um das (vermutlich) Gesagte, aber (leider) Verpasste, gedanklich zu rekonstruieren.
Online-Meetings sind nicht nur auditiv, sondern auch visuell eine Herausforderung. Viele Gesichter auf einer derart kleinen Fläche zu sehen, ist anstrengend. Unser Gehirn ist ständig damit beschäftigt, jedes einzelne zu entschlüsseln – Konzentration auf das eigentliche Thema fällt schwer. Non-verbale Signale zu senden und zu empfangen, erfordert aufgrund der Vielzahl und geringen Größe der Kacheln erhöhte Aufmerksamkeit. Zudem weiß man nie so genau, ob man gesehen wurde, oder andere gesehen haben, dass man sie gesehen hat. Mit den bisherigen technischen Gegebenheiten ist es in Videokonferenzen unmöglich, „auf Augenhöhe“ zu kommunizieren. Guckt man das Gegenüber auf dem Bildschirm an, guckt man aus seiner / ihrer Perspektive nach unten. Schaut man stattdessen direkt in die Kamera, kann man den / die Gesprächspartner*in bestenfalls noch im Augenwinkel wahrnehmen. Und wenn alle freundlich in die Kamera schauen, gibt es niemanden mehr, der es sehen kann.
Auch wenn es zunächst geringfügig erscheint: fehlender Blickkontakt ist für die Psyche des Menschen ein Zeichen, dass etwas nicht in Ordnung ist. Ist mein Gegenüber unzufrieden? Ist es mir wohlgesonnen? Haben mich alle verstanden? All diese Dinge richtig einzuschätzen, fällt in einer Videokonferenz viel schwerer. Ein ungutes Bauchgefühl schleicht sich ein und führt zu psychischem Stress.
Selbstfokussierte Aufmerksamkeit
Und wenn wir schon mal über sehen und gesehen werden reden: für viele Menschen ist es anstrengend, sich ständig selbst sehen zu können. Denn das führt zu gesteigertem Bewusstsein dafür, dass alle anderen es auch können. Dieses Phänomen ist als selbstfokussierte Aufmerksamkeit bekannt. Oftmals rückt dann, wenn auch unterbewusst, der Fokus zumindest teilweise darauf, wie man von anderen wahrgenommen wird - wirkt man kompetent, freundlich, abwesend oder gar gelangweilt? Je nachdem, worum man sich eher sorgt, bemühen sich manche Menschen dann darum, eine lebhaftere Mimik aufzusetzen, oder ihre Gesten und Gesichtsausdrücke zu beschränken, um nicht (unangenehm) aufzufallen.
Eine weiterer Grund für die im Vergleich zu analogen Meetings zusätzliche Belastung ist die stärkere Versachlichung. Vor und nach Online-Meetings findet in der Regel kein oder nur stark formalisierter Smalltalk statt. Eine lockere Stimmung kommt eher selten auf. Besonders introvertierteren Zeitgenossen fällt es unter Umständen schwer, sich in einer Videokonferenz zu Wort zu melden, sowohl bei Arbeitsangelegenheiten als auch “lockeren” get-togethers. Insgesamt ist der Gesprächsverlauf oft weniger organisch und erfordert aktiveres Bemühen um gelungene Kommunikation.
Leiden Frauen mehr unter Videokonferenzen?
Frauen sind insgesamt häufiger von Zoom Fatigue betroffen als Männer. Das soll daran liegen, dass sie die ständige selbstbezogene Aufmerksamkeit als stressiger empfinden. Sich andauernd selbst zu sehen, löst eine stärkere Evaluierung des eigenen Images und ständiges Abschätzen der Wirkung auf andere aus. Im Gegensatz zu Männern neigen sie dann eher dazu, nonverbales Kommunikationsverhalten zu unterdrücken (z.B. aus Sorge, andernfalls unseriös zu wirken). Zudem sitzen sie durchschnittlich in längeren Videokonferenzen mit weniger Pausen dazwischen.