Home Delivery und First World Problems

Als klar wurde, dass Covid-19 für längere Zeit das lokale Gewerbe lahm legen und das Leben überwiegend zu Hause stattfindet wird, entdeckte wohl manch einer - abseits von Sorgen rund um Arbeit und Gesundheit - noch Ängste dritten Grades in sich, die er aus Scham gar nicht ausgesprochen hätte: “Werde ich es ohne meinen Lieblings-Asiaten von nebenan oder mein liebstes Bekleidungsgeschäft aushalten? Wie überlebe ich den Feierabend ohne gelegentlichen Stadtbummel? Und bin ich ein schlechter Mensch, weil ich mir über solche Gewohnheiten den Kopf zerbreche, während andere Personen ihre Miete nicht mehr bezahlen können oder an dem Virus erkranken?” Die einzige Antwort, die es darauf gibt, ist die Tatsache, dass Home Delivery mittlerweile seinen Höhepunkt feiert. Web-Stores animieren uns mit Rabatten und Postzusteller warnen vor verlängerten Lieferzeiten. Und stillschweigend nehmen wir daran teil. Gott sei Dank kennt nur der Paketbote unsere Sünden (und selbst den sehen wir meist nicht mal mehr)! Es ist ein bisschen wie mit peinlichen Musikhits - keiner hört sie, aber trotzdem stürmen sie die Charts. Und eigentlich sind wir insgeheim unglaublich dankbar für die uns gegebenen Möglichkeiten des E-Commerce und entdecken gerade unsere Kauflust neu beim intensiven Online-Shopping. Nehmen wir das doch als Anlass, das Phänomen Online-Handel etwas genauer zu betrachten.

 

Vor zehn Jahren baute die britische Kaufhauskette John Lewis ihren “Magna Park 1” - ein ca. 60387 qm großer 'Logistik-Campus' aus Straßen, Lagerhäusern, Frachtcontainern und Lastwagenbuchten, östlich von Milton Keynes, der die Läden des Unternehmens in Südengland beliefern sollte. Kaum stand der Park, erkannte Lewis jedoch, dass der E-Commerce noch viel mehr Potenzial hat. Zwischen 2006 und 2016 stieg der Anteil an direkt zum Kunden gelieferte John Lewis-Pakete um das Zwölffache an und so konnten weitere Gebäude für die Hauslieferungen gar nicht schnell genug entstehen. In kürzester Zeit folgte der Magna Park 2 mit einer Fläche von etwa 62710 qm, ein weiteres Lagerhaus für die Supermarktkette Waitrose mit etwa 92903 qm und der Magna Park 3, welcher ähnlich groß war wie seine Vorgänger und das Land füllte, was noch übrig war.

 

John Lewis Geschichte ist das anschaulichste Sinnbild für den Boom der Hauszustellungen, der nur eine Richtung kennt und die heißt Wachstum auf allen Wegen und mit zahlreichen Innovationen. In China sausen die “Meituans”-Rollerfahrer in Bananen-gelber Kluft umher und verteilen an einem einzigen Wochenende im Juli 30 Millionen Lebensmittelbestellungen an Online-Shopper. Sprachassistenten wie Alexa, Siri oder Google sollen durch Voice Ordering zunehmend Vorauswahlen treffen und uns als persönlicher Shoppingassistent zur Verfügung stehen. Und Facebook will seinen zweiten Versuch starten, zur Plattform für Online-Shops zu werden. Dabei soll neben Anzeigen und Chatdiensten als Verkaufskanäle auch eine Live-Shopping-Funktion zum Einsatz kommen mit einer 'Augmented Reality'-Anwendung. Die Forschung im E-Commerce soll die bereits steigenden Zahlen noch weiter beflügeln.

 

Der Anteil der E-Commerce-Umsätze am gesamten Einzelhandelsumsatz in den letzten Jahren stetig gestiegen. Während 2009 noch weniger als 360.000 Bestellungen pro Tag in New York City ausgeliefert wurden, sind es heute bereits mehr als 1,5 Millionen. Die weltweiten Online-Verkäufe umfassten im Jahr 2017 noch 3,8tn $ (2,95tn £) und sollen sich bis 2024 auf fast 6tn $ steigern. Besonders der Einkauf via mobiler Endgeräte steigt. Zu den Märkten mit erheblichen M-Commerce-Umsatzzahlen gehören China, Japan, Südkorea, Großbritannien und die USA. In Deutschland umfasst er einen Anteil von 55 Prozent am gesamten E-Commerce-Umsatz aus. Aktuell erreichen die Deutschen etwa 3,8 Milliarden Paketsendungen. Der Online-Handel in Deutschland erwirtschaftet damit etwa 63 Milliarden Euro. Ganz vorne liegen dabei die Sparten Unterhaltungselektronik und Mode.

 

“Think less, buy more” - Die Strategie geht auf und das nicht nur für Amazon, Ebay und andere Online-Riesen! Ein Klick hier, einer da per One-Click-Zahlung und schon haben wir mit minimalstem Aufwand neue Produkte zu uns nach Hause bestellt - ein leckeres Essen, alltägliche Haushaltsgegenstände, die neueste Mode oder Technik. Wir alle pushen die E-Commerce-Branche und tragen zu ihr bei, ohne groß darüber nachzudenken, wie die Pakete zu uns gelangen. Es ist der Fortschritt, von dem wir scheinbar alle profitieren.

 

Während wir unsere Einkäufe mit nur zentimeterweiten Bewegungen unserer Daumen auswählen und kaufen, sind Online-Retailer damit beschäftigt, die physische Welt so umzugestalten, dass unsere Lieferungen in immer schnellerer Zeit am korrekten Platz bei uns eintrudeln. Doch die Nachteile liegen klar auf der Hand. Zum einen wäre da die Verpackung der nach Hause gelieferten Produkte. In den USA z. B. macht diese ca. 30% des festen Abfalls aus. Allein für die Kartons werden 1 Milliarde Bäume gefällt. Auch Retouren, die häufig immer noch vernichtet werden sowie Einzel- und Expressbestellungen belasten das Klima. Zum anderen sieht sich der lokale Handel zunehmend bedroht. Ein weiterer Nachteil entsteht aber auch für die Firmen und Arbeiter selbst, da deren Vernetzung und Beschleunigung einen erhöhten Dokumentations- und Organisationsaufwand bedeuten und die Fehleranfälligkeit steigt. Die Jobs in der Paketbranche gelten als sehr schlecht. Oft erfahren die Arbeiter, welche häufig aus Ländern wie Kasachstan oder der Ukraine kommen und gebrochen Deutsch sprechen, intransparente Arbeitsbedingungen und knappe Bezahlung. Ausbeutung durch den Einsatz von Subunternehmen, selbstversicherte Zusteller und hoher Zeitdruck bestimmen oft den Alltag.

 

Es sind Probleme, die arme Länder, in denen Online-Shopping nicht üblich ist, gar nicht haben - echte First World Problems einer hochmodernen, digitalisierten, westlichen Gesellschaft. Aber bedenkt man, wie viele Produktionsstätten der Wertschöpfungskette im Ausland beginnen oder enden, so wird klar, dass wir in Zeiten einer globalisierten Gesellschaft eine kollektive Verantwortung tragen über unseren Horizont hinaus.

 

Doch welche Lösungsmöglichkeiten könnte es für die oben genannten Probleme geben, vor allem wenn wir nach dem Lockdown nicht mehr zurückkehren wollen zum lokalen Handel? Erst kürzlich erschien auf tagesschau.de (https://www.tagesschau.de/multimedia/podcasts/malangenommen-online-shopping-101.html) ein Podcast, der sich damit befasste, wie unsere westliche Welt aussähe, würden wir nur noch online einkaufen. Die befragten Experten waren sich uneinig. Romantisierte Vorstellungen von modernen Innenstädten werden erläutert - Hochbeete mit Gemüse, Open Gardening und Lebensräume statt Konsum. Kleine Läden könnten dann im Vergleich zu den großen Online-Ketten lokale Beliebtheit erfahren. Doch nicht alle Interviewpartner glauben an den kompletten Umstieg auf den Online-Handel, jedoch an klimafreundlichere Anreize für Sammelbestellungen und gezieltere Einkäufe. Erst im März teilte die EU-Kommission übrigens mit, dass die Vernichtung unverkaufter haltbarer Waren europaweit verboten werden soll. Zudem kommen immer wieder die so genannten “Memo-Boxen” - Mehrwegverpackungen für den Versand - ins Gespräch.

 

Der schlechtsituierte Paketbote könnten teilweise abgelöst werden von automatisierten Zustellfahrzeugen, so die Experten. Drohnen und Roboter, welche aktuell diskutiert werden, seien in Stadtnähe jedoch eher unrealistisch. Aber andere neue Technologien könnten uns die Lieferungen komfortabler machen - Locker und umfangreiche Apps z. B., welche die Zustellung überschaubarer machen. Diese könnten z. B. Sicherheitscodes enthalten, mit denen der Bote in die Wohnung des Kunden gelangt und die Ware komfortabel ablegen kann. Die Preisgabe von Daten wären dabei allerdings stark in der Kritik. In einem anderen Szenario wird der Paketbotenjob erweitert zu einer Beratungsstelle. Haustürlieferungen wären z. B. nur noch bezahlte Extraleistungen. In den Prognosen vergessen werden allerdings Lösungsideen für die in den Logistikzentren komplexer werdende Dokumentations- und Organisationsstruktur. Deshalb unser Vorschlag und Fachgebiet: Workflows, Gerätesteuerung und Datenverwaltung automatisieren und zentralisiert steuern. So kann sichergestellt werden, dass Informationen wie z. B. Arbeitszeiten, Lieferwege oder Kundeninfos datenschutzkonform automatisiert erstellt, transparent verwaltet und effektiv genutzt werden. Zum Einsatz kommen, könnten hierbei IoT-Lösungen, welche die einzelnen Steuerungseinheiten und Personen vernetzen. Als Beispiel möchten wir hier z. B unser MobiTime nennen. Mit der Softwarelösung, welche die digitale Dokumentation der Arbeitsleistung von Mitarbeitern übernimmt, enthält ein Web-Portal für Admins, sowie einer Mitarbeiter-App und kann beliebig mit Hardware erweitert werden. GBS bietet Features wie die digitale Zeiterfassung und Ortung der Mitarbeiter, die Meldung von Auffälligkeiten und Abweichungen oder die Dokumentation und Erfassung von Nachträgen. Insgesamt können damit der Arbeits- und Zeitaufwand und die Fehleranfälligkeit bei immer wiederkehrender Arbeiten gesenkt werden.
Als weiteres Beispiel möchten unser Mobile Device Management MobiVisor vorstellen. Mit MobiVisor können Mobilgeräte wie Smartphones, Sub- Notebooks, PDAs oder Tablet-Computer, zentral verwaltet werden. Durch mindestens einen IT-Administrator werden mit Hilfe von Software und Hardware alle Geräte ferngesteuert verwaltet von einem einzigen Programm aus. Würde man solch eine Technologie z. B. für die Geräte von Paketboten einsetzen, könnte man deren Arbeitsalltag erleichtern und bestimmte Arbeitsvorgänge transparenter gestalten.

 

Der Handel muss sich mit dem Thema Home Delivery und Nachhaltigkeit auseinandersetzen, denn klar ist, dass das Online-Geschäft nicht nur ein Rettungsanker in der Krise darstellt für viele Unternehmen und Kunden, sondern ein Teil der Industrie 4.0 ist, welche unsere Zukunft bestimmen wird.

Bleiben auch Sie wettbewerbsfähig in Zeiten der Industrie 4.0!