Welche Maßnahmen können ergriffen werden?
Dazu genügt nicht die gute Absicht. Es braucht Maßnahmen, die Vielfältigkeit und Komplexität der (möglichen) Barrieren gerecht werden. Grundlegendes Kriterium für die Teilhabe aller am digitalen Leben ist selbstverständlich ein universeller, gut bezahlbarer Breitband-Internetzugang. Hier besteht global ein großes Ungleichgewicht, und auch Deutschland hat noch aufzuholen.
Frauen sollten aktiver unterstützt werden, indem die Sozialkompetenz, die ihnen nachgesprochen wird, mit fachlicher und digitaler Kompetenz verbunden wird. Digitalkompetenz ist eine Lebensaufgabe, die im Elternhaus und während der Schulbildung beginnen sollte. Um jedoch im Verlauf des Lebens von immer rasanteren technischen Neuerungen nicht abgehängt zu werden, müsste hier generelle technische Affinität gefördert werden. Natürlich hat nicht jeder eine starke intrinsische Motivation, sich mit Technik zu beschäftigen, aber wo Interesse besteht, sollte es nicht ausgebremst werden. Das Ziel sollte sein, Mädchen schon von Beginn an für MINT-Fächer zu interessieren, und Geschlechterstereotype, nach denen Mädchen in Sprachen und musischen Fächern brillieren, und Naturwissenschaften und Mathe eher Jungensache sind, aufzulösen. Das Interesse an MINT-Fächern in Mädchen bereits im Schulalter zu fördern, könnte junge Frauen dann wiederum dazu ermutigen, ihren tertiären Bildungsweg im MINT-Bereich zu beschreiten, um sich für gut bezahlte und zukunftsfähige Berufe zu qualifizieren.
Die theoretische Möglichkeit, von überall auf der Welt ein Online-Business aufzubauen oder etwa digitale Dienstleistungen anzubieten, wird oft als Pro-Argument für die Förderung der Gleichstellung durch die Digitalisierung angeführt. Der Ansatz mag nicht verkehrt sein, doch es dabei zu belassen ist eine stark vereinfachende Betrachtungsweise. Denn ein mobiles Endgerät und Internetzugang sind zwar grundlegend, aber nicht ausreichend, um ein Online-Business aufzubauen. Zum einen braucht es dann noch ein Skillset, für das man sich bezahlen lassen kann, zum anderen darf die Notwendigkeit gewisser unternehmerischer Fähigkeiten nicht unterschätzt werden. Denn wo viele für sich eine Chance sehen, werden viele sie ergreifen wollen, und sich gegen Konkurrenz durchzusetzen, um langfristig erfolgreich zu sein, ist schwer. Nicht zuletzt ist der Schritt in die Selbstständigkeit auch ein finanzielles Wagnis und benötigt oftmals Startkapital.
Um diese Probleme anzugehen, sollte finanzielle Unterstützung zum einen einfacher zur Verfügung gestellt werden. Zudem gibt es Ansätze für Mentorship-Programme und Online-Plattformen, die webbasierte Unternehmerschaft für Frauen fördern sollen. Im Gegensatz zu Schneeballsystemen, die Frauen mit dem Wunsch nach beruflicher Selbstständigkeit anlocken und finanziell ruinieren, sollen so auf seriöse Weise Wissen und Fähigkeiten vermittelt werden, die angehende Unternehmerinnen benötigen werden. Garantiert ist der Erfolg auf diese Weise natürlich nicht, aber das gilt für alle Jungunternehmer. Das Ziel ist, bessere Voraussetzungen zu schaffen.
Auch die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, die Digitalisierung aktiv zu gestalten. Beispiel für Maßnahmen, die „aus Sicht der Bundesregierung im Blick“ bleiben sollen sind (wie bereits genannt) der Abbau von Klischees und die Vermittlung einer Vielfalt von Geschlechterbildung, MINT-Förderung von Mädchen und Frauen und eine fortlaufende Vermittlung digitaler Kompetenzen. Auch die Risiken von KI sind ein Thema, weswegen ihr diskriminierungsfreier Einsatz ebenfalls auf der Liste zu finden ist. Bezüglich der Finanzen soll der Zugang zu Gründungskapital gleichberechtigt erfolgen und Finanzmittel zur Förderung der Digitalisierung geschlechtsneutral verteilt werden. (Mehr zu den Befunden und Handlungsmöglichkeiten zur Gleichstellung im digitalen Raum finden Sie im dritten Gleichstellungsbericht.)
Fazit
Die Digitalisierung bietet gewiss Chancen für die Vorantreibung der tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau. Doch dieser Effekt ist nicht selbstwirksam: es muss bewusst darauf hingewirkt werden. Digitalisierung zu fördern und zu hoffen, dass sich das „Empowerment“ der Frau schon von selbst einstellen wird, funktioniert nicht. Die Digitalisierung ist ein nützliches Mittel und bietet Chancen für positive Veränderung, ja. Aber diese sind selbst noch nicht das Ende der Lösung, sie müssen genutzt werden. Was es braucht, ist bewusstes und zielgerichtetes Handeln – Gleichstellung ist kein Selbstläufer – auch nicht mit Digitalisierung.